Prof. Dr. Wolfgang Kemmler, Dr. Simon von Stengel, Institut für Medizinische Physik, FAU Erlangen-Nürnberg

GANZKÖRPER-ELEKTROMYOSTIMULATION (WB-EMS) IM VERGLEICH ZU KONVENTIONELLEN (KRAFT-) TRAININGSMETHODEN

21.10.2019

GANZKÖRPER-ELEKTROMYOSTIMULATION (WB-EMS) IM VERGLEICH ZU KONVENTIONELLEN (KRAFT-) TRAININGSMETHODENFoto: © Jale Ibrak - Fotolia.com
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Bis vor kurzem wurde die Trainingstechnologie WB-EMS mit „Effekten“ beworben, welche diejenigen konventioneller Krafttrainingsprotokolle um das 18-fache (!) übertreffen sollen.

 

Was immer unter „Effekte“ verstanden wird, tatsächlich beruht dieses werbewirksame Statement auf der ungerechtfertigten Interpretation der bei zu intensiver Erst-Anwendung vorkommenden, z. T. extrem hohen Kreatinkinase (CK)-Anstiege [1] als relevante Zielgröße eines Trainings. Für die wirklich relevanten „Effekte“ der WB-EMS Technologie wie bspw. Verbesserung der Muskelmasse, -dichte und -funktion oder der Reduktion der Körperfettmasse und des kardiometabolischen Risikos konnten erst in jüngster Vergangenheit positive Daten vorgelegt werden (Übersicht in [2]). Allerdings fehlte ein direkter Vergleich zu einem konventionellen Krafttraining, wobei dieser Vergleich möglicherweise obsolet ist, da die Gemeinden der WB-EMS-Sportler und konventionellen „Kraftsportler“ nicht allzu deckungsgleich sind.

 

Um einen fairen und alltagsrelevanten Vergleich zwischen dem zeiteffektiven WB-EMS und Krafttraining zu gewährleisten, stellten wir dem WB-EMS ein Hoch-Intensives Krafttraining (HIT-RT) gegenüber [3]. HIT-RT, definiert als „Einsatztraining unter Einsatz von Intensivierungstechniken“ [4, 5], ist ähnlich dem WB-EMS der Prototyp eines zeiteffektiven Trainings für Menschen mit geringem Zeitbudget. Als Zielgrößen des Trainings wählten wir Muskelmasse und -kraft, absolute und abdominale Fettmasse sowie kardiometabolische Größen aus. Probanden waren gesunde, aber untrainierte berufstätige Männer im Alter zwischen 30 und 50 Jahren, also eine Gruppe, für welche die untersuchte Fragestellung von relevanter Bedeutung ist. Nach Zufallseinteilung trainierten jeweils 23 Männer über 16 Wochen in einer HIT-RT bzw. einer WBEMS- Gruppe. Die HIT-RT Gruppe trainierte 2- (selten) 3x Woche und absolvierte ein Ganzkörper-Einsatztraining mit zunehmend ausbelastenden Intensivierungtechniken (u. a. Super-, Dropsätze). Das WB-EMS-Training wurde im klassischen Setting derzeitiger Angebote, allerdings mit einer etwas höheren Trainingshäufigkeit (1,5x 20 min/Woche), durchgeführt. Neben der Körperzusammensetzung via DXA-Methode, Beinkraft über isokinetische „Legpress“, Rückenkraft über Schnell M3 wurden zusätzlich kardiometabolische Größen wie das Metabolische Syndrom und seine Komponenten Blutdruck, Blutfette, Blutzucker und Taillenumfang erhoben [6]. Das Ernährungsverhalten der Probanden wurde vor und unmittelbar nach der Trainingsphase über Ernährungsprotokolle erfragt; die Teilnehmer wurden angewiesen, ihre Ernährung über den Studienzeitraum nicht zu verändern.

 

Zusammenfassend betrachtet führten beide Trainingsmethoden zu einer signifikanten und hochrelevanten Erhöhung der Muskelmasse und einer in etwa ebenso hohen Reduktion der Körperfettmasse (≈1,0 kg). Die Entwicklung in der HIT-Gruppe lag für beide Größen etwas günstiger. Ebenfalls vergleichbare Ergebnisse zeigten sich für die Verbesserung der Maximalkraft, bei der die HIT-RT für die Beinkraft etwas höhere, für die Rückenkraft etwas niedrigere Kraftwerte zeigte. Beide Gruppen zeigten ebenfalls eine signifikante Reduktion des Risikos eines metabolischen Syndroms, aber hier waren die Ergebnisse für die WB-EMS deutlich günstiger. Dieser Unterschied war u. a. auf die deutlichere Reduktion des Taillenumfanges zurückzuführen. Ein Teilnehmer der WB-EMS und zwei Teilnehmer der HIT-RT Gruppe brachen das Training ab, unerwünschte Nebeneffekte wie Verletzungen wurden nicht berichtet. Die Zeitdauer des HIT-RT Trainings lag mit ca. 30 min im Bereich des 20-minütigen WB-EMS Trainings.

 

Faktisch führen diese sehr zeiteffektiven Trainingsmethoden also zu weitgehend vergleichbaren Verbesserungen von Gesundheitsund Leistungsgrößen. Obwohl bei der HIT-RT Session ebenfalls eine konsequente Supervision erfolgte, liegt der Betreuungsaufwand beim WB-EMS allerdings ungleich höher. Letztlich kommt WB-EMS im derzeitigen etablierten Setting enger Kundenbetreuung einem Personal Training sehr nahe. Letzteres erscheint als absolutes Qualitätskriterium, weil die Belastungssteuerung und -progression beim WB-EMS nochmals deutlich komplexer als bei einem HIT-RT ist. Da dem qualifizierten und erfahrenen Trainer beim WB-EMS somit eine absolute Schlüsselrolle zukommt, ist eine entsprechende Aus- und Weiterbildung als obligat anzusehen. Beachtet man die vorliegenden Kontraindikationen und Richtlinien für ein sicheres und effektives WB-EMS Training, so kann diese Trainingstechnologie aus metabolischer Sicht ebenso wie aus orthopädischer Sicht besser belastungsverträglich als ein intensives konventionelles Krafttraining eingeschätzt werden. Insofern stellt WB-EMS sicherlich eine Bereicherung des gesundheitsorientierten Fitnessmarktes dar.

 

 

PROF. DR. WOLFGANG KEMMLER

ist Forschungsdirektor am Institut für Medizinische Physik der Friedrich Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. Der Trainings- und Sportwissenschaftler gilt als ausgewiesener Experte in der trainingswissenschaftlichen Interventionsforschung sowie im Bereich alternative Trainingstechnologien mit Schwerpunkt Ganzkörper- Elektromyostimulation.

ems vs konventionell Wolfgang Kemmler

 

DR. SIMON VON STENGEL
forscht und lehrt an der Universität Erlangen-Nürnberg in der Medizinischen Fakultät. Als Sportwissenschaftler und Physiotherapeuth hat er in der Hunanbiologie promoviert und in der Sportwissenschaft habilitiert. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Bereich „Bewegung und Gesundheit“.

ems vs konventionell Simon von Stengel

 

LITERATUR


1. Teschler M, Weissenfels A, Bebenek M, Frohlich M, Kohl M, von Stengel S, Kemmler W (2016) Very high creatine kinase CK levels after WB_EMS. Are there implications for health. Int J Clin Exp Med 9:22841-22850.

 

2. Kemmler W, Weissenfels A, Willert S, Shojaa M, von Stengel S, Filipovic A, Kleinöder H, Berger J, Fröhlich M (2018) Efficacy and safety of low frequency Whole-Body Electromyostimulation (WB-EMS) to improve health-related outcomes in non-athletic adults. A systematic review. Frontiers of Physiology online first.

 

3. Kemmler W, Teschler M, Weissenfels A, Fröhlich M, Kohl M, von Stengel S (2015) Ganzkörper-Elektromyostimulationst versus HIT-Krafttraining – Effekte auf Körperzusammensetzung und Muskelkraft. Dtsch Z Sportmed 66:321-327.

 

4. Gießing J (2008) HIT-Hochintensitätstraining Novagenics-Verlag, Arnsberg.

 

5. Steele J, Fisher J, Giessing J, Gentil P (2017) Clarity in Reporting Terminology and Definitions of Set End Points in Resistance Training. Muscle Nerve 368-374:368-374.

 

6. Kemmler W, Kohl M, S. VS (2016) Effects of High Intensity Resistance Training versus Whole-body Electromyostimulation on cardiometabolic risk factors in untrained middle aged males. A randomized controlled trial. J Sports Res 3:44-55.