Ems-Training Newsletter

Leitlinien zur optimierten Anwendung von GanzKörper-EMS

Safety first!

Ganzkörper-Elektromyostimulationstraining (WB-EMS) hat sich mittlerweile als überaus zeiteffiziente Methode zur Verbesserung der physischen Fitness, zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und Gesundheit etabliert. Aktuelle Erkenntnisse reihen die Effekte des WB-EMS im Bereich eines HIT-Krafttrainings ein, einer hochintensiven Trainingsmethode zur Verbesserung muskulo-skelettaler Größen, welches viele Menschen aufgrund der hohen mechanischen Belastung und somit orthopädischer Limitationen nicht mehr durchführen möchten oder können.

 

Nicht nur, aber in besonderem Maße ist bei diesem Personenkreis ohne sportliche Vorerfahrung und / oder gesundheitlichen Limitationen eine hinreichend sichere und behutsame WB-EMS Applikation angezeigt. Leider werden immer wieder negative bzw. gesundheitsgefährdende Zwischenfälle berichtet, die auf eine zu intensive WB-EMS-(Erst)Applikation zurückzuführen sind und die eine prinzipiell sehr sichere und (gelenk-)schonende Trainingsmethode WB-EMS in die Kritik bringen können. Unbestritten und ohne Zweifel ist allerdings, dass eine missbräuchliche WB-EMS-(Erst)Applikation zu einer schwerwiegenden Rhabdomyolyse („Muskelzerfall“) führen kann, die potentiell mit erheblichen renalen, hepatischen und kardialen Konsequenzen verbunden ist. Das hierfür ursächliche Feature des WB-EMS, die großflächige Anwendung in Verbindung mit der Möglichkeit eine für jede Region supramaximale Reizintensität generieren zu können, muss somit sehr verantwortungsvoll genutzt und nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt werden. Leider herrschte in der Vergangenheit in wichtigen Fragen Unsicherheit hinsichtlich einer sicheren und / aber effektiven EMS-Applikation. Aus diesem Grund wurde auf Anregung der im WB-EMS-Bereich forschenden Trainingswissenschaftler der Universitäten Köln, Kaiserslautern und Erlangen im Rahmen einer Konsensusveranstaltung mit Vertretern von Wissenschaft, Ausbildung und Geräteherstellern Leitlinien erarbeitet, welche bei der WB-EMS Anwendung künftig Berücksichtigung finden sollen. Die aufgeführten Leitlinien wenden sich sowohl an den Anwender wie auch den Betreiber und Trainer.

 

Leitlinien zur sicheren und effektiven WB-EMS Applikation. Generell gilt:

 

  1. Ein sicheres und effektives Ganzkörper-EMS-Training muss immer mit Begleitung eines ausgebildeten und lizensierten WB-EMS-Trainers oder wissenschaftlich geschultem und in der Thematik beheimatetem Personenkreis durchgeführt werden.

  2. Bei jedem Neueinsteiger muss vor dem ersten Training eine Anamnese mit schriftlicher Abfrage möglicher Kontraindikationen stattfinden. Diese wird schriftlich dokumentiert, durch die Unterschrift des Kunden und des Abfragenden bestätigt und archiviert. Bei relevanten Auffälligkeiten darf das Training erst nach ärztlicher Freigabe durchgeführt werden.

 

Vorbereitung auf das Training:

 

  1. Wie bei jedem intensiven Körpertraining ist darauf zu achten, dass das Ganzkörper EMS-Training nur in guter körperlicher Verfassung und ohne Schmerzen durchzuführen ist. Dies beinhaltet einen Verzicht auf Alkohol, Drogen, Stimulanzien / Muskelrelaxantienten oder erschöpfende Belastung im Vorfeld. Besonders bei fiebrigen Erkrankungen sollte von einem Training komplett abgesehen werden.

  2. Ganzkörper EMS-Training führt über den sehr hohen Umfang an beanspruchter Muskelmasse zu einer sehr hohen metabolischen Belastung des Organismus. Diesem Zustand ist durch eine ausreichende möglichst kohlenhydratreiche Nahrungsaufnahme im Vorfeld Rechnung zu tragen. Falls dies nicht realisiert werden konnte, sollte möglichst ein kohlenhydratreicher, aber nicht belastender Snack (≈250 kcal) idealerweise ca. 2 Stunden vor dem Training eingenommen werden.

  3. Um einer möglichen Nierenbelastung (insb. bei unbekannter Vorschädigung) durch intensive WB-EMS Applikation entgegenzuwirken, ist auf eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr (je 500 ml) vor / während und nach dem Training zu achten.

  4. Prinzipiell ist bei Unwohlsein, körperlichen Einschränkungen, Infekten oder sonstigen gesundheitlichen internistischen, kardiologischen oder orthopädischen Erkrankungen eine ärztliche – ideal sportärztliche – Statuserhebung bzw. Abklärung an zuraten.

 

Durchführung des Trainings:

 

  1. Unabhängig vom körperlichen Status, Sportvorerfahrung und dem entsprechenden Wunsch des Anwenders darf in keinem Fall ein ausbelastendes WB-EMS-Training während der ersten Trainingssession bzw. einem Probetraining stattfinden. Besonders diese Vorgehensweise führte in der Vergangenheit zu unerwünschten Nebenwirkungen und negativen gesundheitlichen Konsequenzen und hat somit unbedingt zu unterbleiben.

  2. Nach moderater initialer WB-EMS-Applikation muss die Reizhöhe bzw. Stromstärke sukzessive gesteigert und den individuellen Zielen angepasst werden. Frühestens nach 8 - 10 Wochen systematischen Trainings darf die höchste Ausprägung stattfinden (subjektive Belastungseinschätzung des Anwenders: schwer-schwer+). Ein komplett ausbelastendes Training insbesondere im Sinne eines schmerzhaften, stetigen Tetanus während der Stromphase muss generell vermieden werden.

  3. Daneben sollte das Ersttraining mit reduzierter effektiver Trainingszeit stattfinden. Empfohlen wird eine Impulsgewöhnung über 5 Minuten sowie ein verkürztes Training mit moderater Reizintensität (subjektive Belastungseinschätzung des Anwenders: etwas schwer) und intermittierender Belastung mit kurzer Impulsphase (≈) über 12 min. Die Trainingsdauer sollte erst im Anschluss vorsichtig gesteigert werden und schließlich maximal 20 Minuten Trainingsdauer betragen.

  4. Um eine ausreichende Konditionierung zu gewährleisten und mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen zu minimieren bzw. auszuschließen, darf die Trainingshäufigkeit während der ersten 8 - 10 Wochen eine Trainingseinheit pro Woche nicht übersteigen.

  5. Auch nach dieser Konditionierungsphase muss ein Abstand von ≥4 Tagen zwischen den Trainingseinheiten eingehalten werden, um einer Akkumulation von Muskelzerfallsprodukten vorzubeugen, Regeneration und Anpassung zu sichern und somit den Trainingserfolg zu gewährleisten. 

 

 

Sicherheitsaspekte während und nach dem Training:

 

  1. Der Trainer bzw. das geschulte und lizensierte Personal hat sich während der Trainingssession ausschließlich um die Belange des / der Anwender zu kümmern. Vor, während und nach dem Training überprüft der Trainer verbal und per Augenschein den Zustand des Trainierenden, um gesundheitliche Risiken auszuschließen und ein effektives Training zu gewährleisten. Bei möglichen Kontraindikatoren ist das Training sofort abzubrechen.

  2. Während des Trainings sind die Bedienelemente des Gerätes für den Trainer und auch für den Trainierenden jederzeit direkt erreichbar. Die Bedienung / Regelung muss einfach, schnell und präzise erfolgen können.

 

FAZIT:

Innerhalb der vorliegenden Leitlinien haben wir ausschließlich den betreuten WB-EMS adressiert. Tatsächlich war es allgemeiner Konsens, dass eine sichere und effektive WB-EMS Applikation ausschließlich in diesem Setting gewährleistet bzw. garantiert werden kann. Von der privaten Nutzung der Technologie ohne Begleitung durch einen ausgebildeten und lizensierten Trainer/Betreuer oder entsprechend wissenschaftlich geschultes Personal raten wir somit ausdrücklich ab. In diesem Zusammenhang sehen wir auch die Vorgehensweise von einigen Anbietern kritisch, den Betreuungsschlüssel auf ein Maß zu erhöhen, dass auch bei Berücksichtigung der technischen Entwicklung und Trainerausbildung ein individualisiertes und somit sicheres und effektives Training nicht mehr zulässt. Der Kölner Sportwissenschaftler Ingo Froböse bezeichnete vor Kurzem WB-EMS als „therapeutische Waffe“, die, möchte man diesen Vergleich weiterführen, „in die richtigen und verantwortungsvollen Hände“ gehört. WB-EMS ist eine noch junge und aufstrebende Trainingstechnologie, bei der noch vieles in Bewegung ist und sicherlich noch weitere Fragen auftreten werden. Insofern sehen wir uns als Wissenschaftler in der Pflicht weitere geeignete Anwendungsfelder zu evaluieren, mögliche Konsequenzen zu adressieren und insgesamt für einen verantwortungsvollen und sicheren Umgang mit dieser Trainingstechnologie Sorge zu tragen. Wir betrachten diese Leitlinie daher als verbindliches, aber nach Forschungslage flexibles und erweiterbares „Tool“, das zu einer sicheren und effektiven WB-Applikation beitragen kann.

 

Univ.-Prof. Dr. phil. habil. Michael Fröhlich

Professor für Sportwissenschaft an der TU Kaiserslautern. Hauptforschungsgebiete: Bewegungs- und Trainingswissenschaft, Gesundheitsthemen, Interventionsforschung. Mitgliedschaft in mehreren wissenschaftlichen Vereinigungen, Gutachtertätigkeit für zahlreiche nationale und internationale Zeitschriften. Derzeit rd. 220 Publikationen in den genannten und angrenzenden Gebieten.

 

miha Froehlich 

 

Jens Vatter

Inhaber der PT Lounge Köln by Jens Vatter, Dipl.-Sportökonom und European Master of Science in Health and Fitness (Univ. Bayreuth), Wissenschaftlicher Berater für EMSTraining, mehrfacher Buchautor – EMS Training, Ausbilder und Dozent für EMS Training, Functional Training und Coaching sowie Athletiktraining mit Schwerpunkt Sprint und Sprung u. a. beim Gluckerkolleg sowie TÜV zertifizierter Personal Fitness Trainer.

 

miha Vatter

 

Stephan Müller

Ernährungsberater, Sportlehrer und Sportphysiotherapeut. Darüber hinaus betreut er als Personal-Fitness-Trainer, Ausbilder und Ernährungsexperte zahlreiche Weltmeister, Olympiasieger und Topsportler sowie Bundesligaprofis aus den Bereichen Fußball, Handball und Volleyball. Er ist Mitglied im Vorstand des Bundesverbands PT e. V. und im EMS-Trainingsausschuss des DSSV sowie Inhaber des GluckerKolleg (www.gluckerkolleg.de) und der PT Lounge GmbH.

 

miha Mueller

 

Prof. Dr. Wolfgang Kemmler

Prof. Dr. Wolfgang Kemmler (24.01.64 in Tübingen) ist Forschungsdirektor am Institut für Medizinische Physik der Friedrich Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. Der Trainings- und Sportwissenschaftler gilt als ausgewiesener Experte in der trainingswissenschaftlichen Interventionsforschung sowie im Bereich alternative Trainingstechnologien mit Schwerpunkt Ganzkörper- Elektromyostimulation.

 

miha Kemmler

 

Dr. Heinz Kleinöder

Dr. Heinz Kleinöder ist seit 1990 als Dozent an der Deutschen Sporthochschule Köln am Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik tätig. Er leitet dort seit 2003 die Abteilung Kraftdiagnostik und Bewegungsforschung. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören die Diagnostik konditioneller Fähigkeiten im Leistungssport verschiedener Sportarten und das Kraft- und Techniktraining mit klassischen und innovativen Trainingsmethoden. Eng damit verbunden ist eine langjährige Trainertätigkeit im Hochleistungssport (Tennis). Forschungsschwerpunkte sind die Effekte verschiedener Krafttrainingsmethoden und unterschiedlicher Trainingsmittel (inkl. EMS und Vibration) in Bezug auf Gesundheit und Leistung, aus denen viele Veröffentlichungen hervorgegangen sind. Der Praxistransfer der wissenschaftlichen Ergebnisse erfolgte in viele Sportarten und wurde in zahlreichen Referaten an der Trainerakademie des DOSB in Köln weitergegeben.

 

miha Kleinoeder