Ganzkörper EMS-Training: Kontraindikationen

Wissenschaft

Lesedauer: 10 Minuten | Aufrufe: 55

Ganzkörper-Elektromyostimulation (EMS-Training) ist ein hochintensives, zeiteffizientes Training, das alle großen Muskelgruppen stimuliert. Der Text erläutert die Vorteile, aber auch Risiken wie Rhabdomyolyse bei unsachgemäßer Anwendung. Wichtige Kontraindikationen werden unterschieden in absolute und relative, um die Sicherheit der Anwender zu gewährleisten. Die Abklärung dieser Kriterien gemäß DIN 33961 – Teil 5 ist unerlässlich für eine effektive und gesunde Durchführung von GK-EMS.

Ganzkörper-Elektromyostimulation (GK-EMS) bezeichnet eine simultane Stimulation aller großer Muskelgruppen (durch mindestens sechs applizierte Stromkanäle) mit einem trainingswirksamen Reiz, welcher Adaptationen auslöst. Sie wird als eine hochintensive und zeiteffiziente Trainingsform sowohl in der Therapie und Prävention als auch im Freizeit- und Breiten- sowie im Leistungssport angewendet (Berger, 2021; Kemmler, Kleinöder & Fröhlich, 2020).

Bei korrekter Applikation stellt GK-EMS eine effektive sowie sichere Trainingsform dar. Aufgrund der großflächigen Anwendung und der simultanen Kontraktion großer Muskelgruppen bringt sie bei missbräuchlicher Durchführung allerdings auch ein gewisses Gefährdungspotenzial mit sich. Die supramaximale Stimulation der einzelnen Körperregionen sowie die daraus resultierende hohe metabolische Belastung für den Organismus kann zu unerwünschten Nebenwirkungen bis hin zu einer Überbeanspruchung führen, welche sich im schlimmsten Fall in einer Rhabdomyolyse (Muskelgewebezerfall) durch eine massive Erhöhung der Kreatinkinase (CK) äußert, was ein Enzym für Muskelschädigungen darstellt (Teschler et al., 2016). Eine adäquate Erhöhung der CK ist generell nach jeder sportlichen Betätigung der Fall. Eine übermäßige Erhöhung durch eine Überbelastung der Muskulatur ist allerdings ein Faktor, den es bei der GK-EMS unbedingt zu vermeiden gilt. Eine zu intensive GK-EMS-Erstapplikation hat in vergangenen Untersuchungen zu einem massiven Anstieg der CK-Werte geführt, woraus geschlossen wurde, dass vor allem die anfänglichen GK-EMS-Trainingseinheiten mit einer verringerten Intensität durchgeführt werden müssen, um den Organismus langsam an die neue Trainingsform zu gewöhnen und einer Rhabdomyolyse vorzubeugen (Kemmler, Fröhlich, Stengel & Kleinöder, 2016).

Wie bei jeder neu aufgenommenen Trainingsform sollte daher der Beginn des GK-EMS-Trainings behutsam und unter Berücksichtigung des aktuellen Gesundheitszustandes der Anwender sowie anhand professioneller Betreuung von ausgebildetem Fachpersonal erfolgen. Bei der GK-EMS gibt es – abgesehen von Aspekten der individualisierten und adäquaten Durchführung – weitere essenzielle Kriterien, welche ausgeschlossen werden müssen, bevor die erste Applikation stattfinden kann (Berger, 2022; Kemmler et al., 2019). Aufgrund der unwillkürlichen Kontraktion der Muskulatur und – bei missbräuchlicher Anwendung – dem daraus resultierenden Gefährdungspotenzial ist GK-EMS nur bedingt mit einem klassischen Kraft- oder Ausdauertraining zu vergleichen. Deswegen scheint eine Formulierung von Leitlinien zur sicheren und effektiven Durchführung von GK-EMS unabdingbar. Erste Handlungsanweisungen in Bezug auf die Anamnese, die Ersteinweisung, das Betreuungsverhältnis sowie die sichere Durchführung des Trainings wurden daher bereits 2016 veröffentlicht (Kemmler et al., 2016). Darauf aufbauend sind in den Prüfkriterien der DIN 33961 – Teil 5 weitergehende formalisierte Regelungen hinsichtlich Kontraindikationen einer GK-EMS-Anwendung aufgeführt. Diese sollen als Orientierungshilfe in der täglichen Praxisroutine dienen, indem Ausschlusskriterien für ein GK-EMS-Training definiert werden.

Bei den Kontraindikationen wird zwischen relativen und absoluten Kontraindikationen differenziert (Kemmler et al., 2019). Beim Vorliegen absoluter Kontraindikationen ist eine GK-EMS-Applikation aufgrund einer akuten Gefährdung der Trainierenden grundlegend abzulehnen, da es zu physischen Beeinträchtigungen kommen kann, welche maßgeblich gesundheitsbeeinträchtigend sind. Somit wäre eine GK-EMS-Anwendung mit zu hohen Risiken verbunden und aufgrund der Sorgfaltspflicht gegenüber Kunden/Patienten unter keinen Umständen durchzuführen.

Absolute Kontraindikationen

Die absoluten Kontraindikationen sind ebenso wie die später noch thematisierten relativen Kontraindikationen im Vorfeld des ersten GK-EMS-Trainings zu überprüfen und in einem gesonderten Anamnesebogen zu archivieren. Nach DIN 33961 – Teil 5 gelten folgende Faktoren zu den absoluten Kontraindikationen:

  • Akute Erkrankungen, bakterielle Infektionen und entzündliche Prozesse:
    Bei sportlicher Belastung kommt es zu einer erhöhten immunologischen Stresssituation des Körpers. Beim Vorliegen von akuten Erkrankungen, bakteriellen Infektionen und entzündlichen Prozessen ist der Körper schon vor dem Training erheblich geschwächt und anfälliger für weitere Infektionen, weshalb generell von sportlichen Belastungen und dementsprechend auch von einem GK-EMS-Training dringend abzuraten ist (Baum & Liesen, 1998).

  • Kürzlich vorgenommene Operationen:
    Sollte sich im Applikationsbereich der Elektroden des GK-EMS eine offene oder genähte Wunde bedingt durch eine Operation befinden, so schließt dies ein Training grundlegend aus. Ambulante Eingriffe wie z. B. die Entfernung eines Muttermals sind hiervon nicht direkt betroffen, sollte sich die Wunde nicht unmittelbar unter einer Elektrode befinden. Eine sportliche Belastung jeglicher Art sollte vermieden werden, solange die Wunde noch nicht selbstständig geschlossen ist und durch Fäden vernäht wurde. Allgemein gilt es zu beachten, dass die vollständige Genesung von der Ursache, welche die Operation erforderlich gemacht hat, vor einem GK-EMS-Training erfolgt sein muss. Zur Absicherung dient hier die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt.

  • Arteriosklerose und arterielle Durchblutungsstörungen:
    Eine Arteriosklerose wird umgangssprachlich auch als Arterienverkalkung bezeichnet und beschreibt die Einlagerungen von Blutfetten, Blutgerinnseln, Bindegewebe und Kalk (sogenannten Plaques) an der inneren Wand arterieller Gefäße. Die betroffene Muskulatur und Organe werden in Folge durch die Verengung und Verhärtung der Arterien nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt. Im schlimmsten Fall bildet sich an den Ablagerungen ein Pfropf aus Blutplättchen (Thrombus) und es droht ein Verschluss der Arterie sowie daraus resultierend z. B. ein Herzinfarkt oder Schlaganfall (Marées, 2003). Die Auswirkungen speziell von GK-EMS auf arteriosklerotische Erkrankungen sind zum aktuellen Zeitpunkt nicht ausreichend erforscht. Da der Krankheitsverlauf allerdings lebensbedrohlich sein kann, ist von einem GK-EMS-Training im Rahmen des hier dargestellten Krankheitsbilds unbedingt abzusehen (Kemmler et al., 2019).

  • Stents und Bypässe, die weniger als sechs Monate aktiv sind:
    Stents dienen der Stabilisierung und Weitung verengter Gefäße und sorgen als Gefäßstütze dafür, dass es nicht erneut zu einer Verengung bzw. einem Verschluss der Arterie kommt. Bypässe umgehen verengte Blutgefäße und leiten somit den Blutfluss um. Beide Verfahren stellen einen massiven Eingriff in den menschlichen Organismus dar, weswegen es vor allem in der Rehabilitationsphase wichtig ist, die Patient/-innen langsam an sportliche Betätigungen zu gewöhnen. Ein intensives Training ist also unbedingt zu vermeiden, um die neuen Strukturen nicht zu stark zu beanspruchen. Empfehlungen der deutschen Herzstiftung beinhalten ein leichtes Ausdauertraining in Form von schnellem Gehen oder die Teilnahme an einer Herzsportgruppe. GK-EMS stellt im Vergleich hierzu eine weitaus intensivere Trainingsform dar, welche den Organismus und alle an der Bewegung beteiligten Strukturen um ein Vielfaches mehr belastet. Deshalb sollte sie in der postoperativen Rehabilitation (mit einer Dauer von sechs Monaten) erst nach ausreichender Genesung sowie ärztlicher Abklärung durchgeführt werden (Albrecht & Mooren, 2018).

  • Unbehandelter Bluthochdruck:
    Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) zählt zu den maßgeblichen Risikofaktoren von kardiovaskulären Erkrankungen und ist weltweit eines der häufigsten chronischen Krankheitsbilder. Mit Erhöhung des Blutdrucks steigt das Schlaganfallrisiko sowie die Herzinfarktanfälligkeit und es entsteht ein erhöhtes Risiko für Niereninsuffizienz (Reimers & Völker, 2018). Bei eingestelltem Bluthochdruck ist eine angepasste, ärztlich abgeklärte sportliche Betätigung ohne Probleme möglich – unbehandelter Bluthochdruck muss allerdings zur Vermeidung der möglichen Folgeerscheinungen ärztlich abgeklärt werden und schließt ein sportliches Training, demnach auch GK-EMS, grundlegend aus (Predel, 2007).

  • Diabetes mellitus:
    Diabetes mellitus als Störung des Kohlenhydratstoffwechsels tritt in unterschiedlichen Ausprägungen auf und kann in Diabetes mellitus Typ 1 (absoluter Insulinmangel), Diabetes mellitus Typ 2 (Insulinresistenz sowie unterschiedliche Insulinverfügbarkeit) sowie anderweitige spezifische Diabetesformen (Endokrinopathien, medikamentenbedingte Formen etc.) unterteilt werden. In Abhängigkeit des Ausprägungsgrades der Erkrankung kann sich sportliche Betätigung positiv auf den Organismus auswirken. Durch die simultane Beanspruchung vieler großer Muskelgruppen und der daraus resultierenden hohen metabolischen Belastung kann es jedoch bei dem vorliegenden Krankheitsbild zu Komplikationen wie z. B. einer Hypoglykämie kommen. Der genaue Einfluss von GK-EMS auf den Organismus einer diabetischen Person ist zwar noch nicht abschließend geklärt, aufgrund des hohen Gefährdungspotenzials ist Diabetes mellitus allerdings als absolute Kontraindikation anzusehen (Kemmler et al., 2019).

    => Update Juni 2024: Diabetes ist keine absolute Kontraindikation mehr für EMS, sondern eine relative Kontraindikation, die eine sorgfältige Bewertung und individuelle Anpassung erfordert. Bei richtiger Anwendung und unter medizinischer Betreuung kann EMS-Training eine wertvolle Ergänzung im Umgang mit Diabetes sein.

  • Schwangerschaft:
    In Bezug auf die Gefahren einer GK-EMS-Anwendung in der Schwangerschaft liegen zum aktuellen Zeitpunkt keine wissenschaftlichen Befunde vor. Diese fehlenden Aussagen tragen allerdings zur Einstufung als absolute Kontraindikation bei, da eine fehlende Evidenz schädlicher Auswirkungen nicht gleichbedeutend mit einer sicheren Anwendung von GK-EMS in der Schwangerschaft ist. Der Schutz – sowohl der Mutter als auch des Kindes – steht an erster Stelle, weswegen ein Gefährdungspotenzial aufgrund von GK-EMS ausgeschlossen werden muss.

  • Elektrische Implantate und Herzschrittmacher:
    Elektrische Implantate und Herzschrittmacher messen die Herzaktivität mittels eines Sensors in der Herzkammer oder mit direktem Kontakt zum Herzmuskel. Bei Funktionsstörungen des Herzens kann dadurch umgehend die notwendige Gegenmaßnahme in Form eines elektrischen Impulses z. B. bei Herzkammerflimmern gegeben werden, was eine lebenserhaltende Maßnahme darstellt. Da bei GK-EMS ebenfalls mit elektrischen Impulsen gearbeitet wird und bislang keine Herstellerangaben über potenzielle Interferenzen dieser Impulse mit denen der Implantate vorliegen, kann ein negativer Einfluss des GK-EMS nicht grundlegend ausgeschlossen werden. Es besteht daher die Möglichkeit, dass die Stimulation im schlimmsten Fall das Leben der Trainierenden bedroht, weshalb elektrische Implantate und Herzschrittmacher als absolute Kontraindikation aufgeführt sind.

  • Herz-Rhythmus-Störungen:
    Nach umfangreicher Diagnostik einer vorliegenden Herz-Rhythmus-Störung kann in vielen Fällen ein Training mit adäquater Intensität eine gesundheitsfördernde Wirkung hervorrufen, was allerdings maßgeblich von der genauen Art der Erkrankung abhängig ist. Für das hochintensive GK-EMS-Training existieren bislang keine evidenzbasierten Aussagen zu einer Durchführung trotz Herz-Rhythmus-Störungen, weswegen eine Anwendung aufgrund potenzieller lebensgefährdenden Folgen auszuschließen ist (Hordern et al., 2012).

  • Tumor- und Krebserkrankungen:
    Üblicherweise wird bei Tumor- und Krebserkrankungen sportliche Betätigung sogar im hochintensiven Bereich empfohlen (Dimeo & Thiel, 2008). Zum aktuellen Zeitpunkt existieren für das GK-EMS-Training keine evidenzbasierten Aussagen zur Anwendungsgestaltung bei der vorliegenden Erkrankung. Des Weiteren gibt es keine Befunde zu potenziellem Tumorwachstum durch GK-EMS in der akuten Therapiephase, weswegen ein GK-EMS-Training auszuschließen ist. Nach Abschluss der akuten Therapiephase kann eine GK-EMS-Anwendung nach vorheriger ärztlicher Abklärung in Erwägung gezogen werden.

    => Update Juni 2024: Krebs wird heute differenziert betrachtet und nicht mehr pauschal als absolute Kontraindikation angesehen, sondern als relative Kontraindikation, die eine sorgfältige individuelle Bewertung erfordert. Voraussetzung für den Einsatz von EMS ist immer eine enge Abstimmung zwischen Patient, Arzt und Trainer, um sicherzustellen, dass das Training sicher und förderlich ist.

  • Blutungsstörung und Blutungsneigung (Hämophilie):
    Bei gestörter Blutgerinnung, die auch als Hämophilie bezeichnet wird, schließen sich Wunden verzögert und es kann zu Spontanblutungen z. B. in Form von Gelenkeinblutungen kommen. Die Wunden verschließen sich bei Betroffenen sehr viel langsamer, treten häufiger auf und können zu hohen Blutverlusten führen. Da die Auswirkungen von GK-EMS auf Blutungsstörungen bzw. Blutungsneigungen noch vollständig unerforscht sind, wird aufgrund des hohen Risikos für die betroffenen Patient/-innen ein GK-EMS-Training grundlegend ausgeschlossen (Kemmler et al., 2019).

  • Neuronale Erkrankungen, Epilepsie und schwere Sensitivitätsstörungen:
    Die unwillkürliche Kontraktion der Muskulatur erfolgt beim GK-EMS durch eine Stimulation der unter der Elektrode befindlichen Nervenfaser, welche das auftretende Signal bis in den Muskel weiterleitet. Bei epileptischen Erkrankungen bzw. einer Hypererregbarkeit von Nervenzellen (Hyperexzitabilität) könnte diese externe Stimulation bereits zu einer erhöhten Anfallsneigung führen, weshalb GK-EMS aufgrund des gesteigerten Gefährdungspotenzials kontraindiziert ist.

  • Bauchwand- und Leistenhernien:
    Als akute und schwerwiegende Verletzung des Abdomens könnte es bei einer Bauchwand- oder Leistenhernie durch körperliche Belastungen bzw. Druck- und Zugbelastungen auf die entsprechende Wunde zu einer Vergrößerung der Verletzung kommen. Dies kann einen potenziellen Austritt oder eine Beschädigung innerer Organe zur Folge haben. Hier besteht die Notwendigkeit einer direkten ärztlichen Versorgung und schließt demnach sportliche Betätigung jeglicher Art, auch GK-EMS, aus.

  • Akuter Einfluss von Alkohol, Drogen oder Rauschmitteln:
    Aufgrund der Gefahr einer massiven Schädigung des Organismus unter dem Einfluss von Alkohol, Drogen oder Rauschmitteln ist ein körperliches Training grundlegend auszuschließen.

Relative Kontraindikationen

Relative Kontraindikationen beschreiben Indikationen, welche vor der Durchführung eines GK-EMS-Trainings fachärztlich abgeklärt werden müssen oder die Anwendung an bestimmten Körperregionen ausschließen. Sie sind keine generellen Ausschlusskriterien für ein GK-EMS-Training und lassen einen gewissen Interpretations- und Handlungsspielraum offen, was in der praktischen Umsetzung allerdings zu Unsicherheiten führen kann. Zu den relativen Kontraindikationen zählen nach DIN 33961 – Teil 5 die folgenden Faktoren:

  • Akute Rückenbeschwerden ohne Diagnose
  • Akute Neuralgien, Bandscheibenvorfälle
  • Implantate, die älter als sechs Monate sind
  • Erkrankungen der inneren Organe und insbesondere Nierenerkrankungen
  • Kardiovaskuläre Erkrankungen
  • Bewegungskinetosen
  • Größere Flüssigkeitsansammlungen im Körper, Ödeme
  • Offene Hautverletzungen, Wunden, Ekzeme, Verbrennungen
  • Einnahme bestimmter Medikamente

Die teilweise weit gefassten und nicht trennscharf formulierten relativen Kontraindikationen sollen nicht zur Abschreckung von Kunden/Patienten dienen, da Indikationen im Vorfeld mit ärztlichem Fachpersonal abgeklärt werden müssen. Vielmehr dienen sie dem Schutz: Es sollen gravierende Gesundheitsbeeinträchtigungen erfasst werden um festzustellen, ob diese einen direkten Einfluss auf die Belastbarkeit der Trainierenden haben könnten. So wird ein sicheres und effektives GK-EMS-Training gewährleistet. Erkrankungen oder Schmerzepisoden, die schon länger zurückliegen, stellen keine akuten Beeinträchtigungen dar. Die Entscheidung, ob eine ärztliche Freigabe eingefordert wird oder nicht, hängt letztendlich von der Gesamtanamnese einzelner Personen bzw. der Gesamtbeurteilung ihres Gesundheitszustands und der Einschätzung ihrer Belastbarkeit ab.

Liegen nur geringfügige oder schon länger zurückliegende Beeinträchtigungen vor, so müssen diese nicht zwingend zu einer Einstufung als relative Kontraindikation führen. Neuralgien (Schmerzen im Versorgungsgebiet eines Nervs) oder Bandscheibenvorfälle sind z. B. nur in der akuten Phase relative Kontraindikationen, da sie zu einer Beeinträchtigung des Funktionszustandes führen, wodurch die Durchführung der Intervention nicht uneingeschränkt möglich ist.

Relative Kontraindikationen wie Ödembildungen (Flüssigkeitsansammlung im Körper) oder Bewegungskinetosen (Schwindel bei Bewegung) stellen Symptome dar, deren Ursache ohne eine ärztliche Abklärung meist unbekannt ist. Diese Ursachen können harmlos sein; sie könnten allerdings auch ein Leitsymptom einer schwerwiegenden Erkrankung darstellen. Daher ist die fachärztliche Abklärung unabdingbar, um ein sicheres und effektives GK-EMS-Training durchführen zu können. Hierbei sollte allerdings darauf geachtet werden, dass die Abfrage potenziell vorliegender relativer Kontraindikationen den gesundheitlichen Nutzen der GK-EMS-Anwendung gegenüber den Risiken der Erkrankungen abwägt, sofern dies im Verantwortungs- und Kompetenzbereich des Trainers bzw. Therapeuten stattfindet. Das Ziel der Abfrage sollte nicht darin bestehen, gesundheitliche Beeinträchtigungen mit geringer Ausprägung zu dramatisieren, indem diese als relative Kontraindikation eingestuft werden und ein GK-EMS-Training nur nach ärztlicher Freigabe erfolgen darf.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Abfrage von absoluten sowie relativen Kontraindikationen gemäß DIN 33961 – Teil 5 die effektive und sichere Trainingsdurchführung unterstützt und sowohl für den Kunden/Patienten als auch für den Trainer/Therapeuten von großem Vorteil ist.


Dr. Joshua Berger

Dr. Joshua Berger arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent im Fachbereich Fitness/Individualtraining an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und als Referent an der BSA-Akademie. Seit 2017 ist er Mitglied im EMS-Fachkreis, der sich mit aktuellen Themen rund um EMS-Training sowie mit praktischen Leitlinien für den konventionellen Gebrauch befasst.

Prof. Dr. Christoph Eifler

Prof. Dr. Christoph Eifler leitet den Fachbereich Trainings- und Bewegungswissenschaft der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie den Fachbereich Fitness der BSA-Akademie. An der DHfPG erfüllt er zudem das Amt des Prorektors für Forschung.


Literaturverzeichnis:

Albrecht, B. & Mooren, F. C. (2018). Prähabilitation. In F. C. Mooren & C. D. Reimers (Hrsg.), Praxisbuch Sport in Prävention und Therapie (S. 57–63). München: Elsevier.
Baum, M. & Liesen, H. (1998). Sport und Immunsystem. Deutsches Arzteblatt-Arztliche Mitteilungen-Ausgabe A, 95 (10), 538–540.
Berger, J. (2021). Eine Evaluation der Anwendbarkeit und Effektivität von Ganzkörper-Elektromyostimulation. Dissertation. Technische Universität, Kaiserslautern. https://doi.org/10.26204/KLUEDO/6286
Berger, J. (2022). Das Vier-Faktoren-Modell des Ganzkörper-EMS-Trainings. Fitness Management International, 03 (161), 96–98.
BMU. (2019). Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV), Bonn.
Dimeo, F. C. & Thiel, E. (2008). Körperliche Aktivität und Sport bei Krebspatienten. Der Onkologe, 14 (1), 31–37. https://doi.org/10.1007/s00761-007-1288-7
Hordern, M. D., Dunstan, D. W., Prins, J. B., Baker, M. K., Singh, M. A. F. & Coombes, J. S. (2012). Exercise prescription for patients with type 2 diabetes and pre-diabetes: a position statement from Exercise and Sport Science Australia. Journal of Science and Medicine in Sport, 15 (1), 25–31.
Kemmler, W., Fröhlich, M., Stengel, S. von & Kleinöder, H. (2016). Whole-Body Electromyostimulation ? The Need for Common Sense! Rationale and Guideline for a Safe and Effective Training. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 67 (9), 218–221.
Kemmler, W., Kleinöder, H. & Fröhlich, M. (2020). Editorial: Whole-Body Electromyostimulation: A Training Technology to Improve Health and Performance in Humans? Frontiers in Physiology, 11, 523.
Kemmler, W., Weissenfels, A., Willert, S., Fröhlich, M., Ludwig, O., Berger, J. et al. (2019). Recommended Contraindications for the Use of Non-Medical WB-Electromyostimulation. German Journal of Sports Medicine/Deutsche Zeitschrift fur Sportmedizin, 70 (11), 278–282.
Marées, H. de. (2003). Sportphysiologie. Köln: Sportverlag Strauss.
Predel, H. G. (2007). Bluthochdruck und Sport. Deutsche Zeitschrift für sportmeDiZiN, 58 (9), 328–333.
Reimers, C. D. & Völker, K. (2018). Bluthochdruck (arterielle Hypertonie). In  Patienteninformationen Sport in der Neurologie–Empfehlungen für Ärzte (S. 103–108). Springer.
Teschler, M., Weissenfels, A., Bebenek, M., Fröhlich, M., Kohl, M., Stengel, S. von et al. (2016). (Very) high creatine kinase (CK) levels after Whole-Body Electromyostimulation. Are there implications for health? International Journal of Clinical and Experimental Medicine, 9 (11), 22841–22850.
Von Stengel S, Fröhlich M, Ludwig O, Eifler C, Berger J, Kleinöder H, Micke F, Wegener B, Zinner C, Mooren FC, Teschler M, Filipovic A, Müller S, England K, Vatter J, Authenrieth S, Kohl M and Kemmler W (2024) Revised contraindications for the use of non-medical WB-electromyostimulation. Evidence-based German consensus recommendations. Front. Sports Act. Living 6:1371723. doi: 10.3389/fspor.2024.1371723

 

miha bodytec logo

© miha bodytec 2025

Powered by svelte logo

& made with ❤️ in Gersthofen